Montag, 12. Februar 2024

Melde gehorsamst: Das nicht!


Das sympathischste an den Österreichern ist vielleicht, dass sie nie gute Soldaten waren. Die Liste der bahnbrechenden militärischen Erfolge der Donaumonarchie ist jedenfalls nicht besonders lang. 

In der Schlacht bei Aspern (1809) fügte Österreich Napoleon seine erste bedeutende Niederlage zu. Den Krieg verloren die Habsburger dennoch. Und Seekriegsenthusiasten erinnern sich vielleicht noch an die Schlacht von Lissa (1866), bei der die österreichische die italienische Marine schlug. Allerdings sind auch die Italiener nicht eben als Kriegervolk bekannt – wenn man von den wohl mittlerweile verjährten Erfolgen der Römer absieht. Immerhin, Lissa führte dazu, dass Kriegsschiffe in den darauffolgenden Jahrzehnten mit Rammspornen ausgestattet wurden, eine Innovation, die sich jedoch als nutzlos erwies und irgendwann wieder abgeschafft wurde.

Die Deutschen hingegen waren einst als gute Soldaten bekannt und gefürchtet. Dass Soldatenehre und Heldenmut immer auch mit Dummheit einhergehen, zeigen die Durchhalteparolen der Nazis, die lieber das ganze Land in Schutt und Asche legen ließen, als sich zu ergeben. Wenn man den aktuellen Hiobsnachrichten über den desolaten Zustand der Bundeswehr glauben darf, haben sich die Deutschen allerdings in dieser Hinsicht gebessert. Gott sei Dank, möchte man als Pazifist ausrufen.

Das vielleicht unterhaltsamste literarische Denkmal habsburgischer Kriegsuntüchtigkeit ist natürlich Jaroslav HaÅ¡eks "Braver Soldat Schwejk". Schwejk bekämpft die große Dummheit, sprich den Wahn des Krieges und die Dumpfheit alles Militärischen, indem er nach außen eine derart überzogene Kriegsbegeisterung an den Tag legt, dass ihn sogar die Obrigkeit für blödsinnig erklären muss. Tatsächlich verweigert er sich jedoch der Realität des Krieges vollkommen. Ob er das aus Schlauheit oder tatsächlicher Blödheit tut, wird beim Lesen des Romans nie ganz klar.

Wolfgang Liebeneiners in den 1970er Jahren von ORF und ZDF produzierter Mehrteiler hingegen zeigt den Schwejk als bauernschlauen böhmischen Volksphilosophen, der sehr wohl weiß, was er tut. Er transzendiert die bittere Realität, indem er sie zur Posse gerieren lässt. Der wundervolle Fritz Muliar verleiht diesem Schwejk Glaubwürdigkeit und eine stille Größe. 

Schwejk weiß: Ein Frontalangriff gegen die Staatsmacht ist aussichtslos. Die kollektive Dummheit ist immer stärker als die Klugheit des Einzelnen. Auch die Desertion ist keine Option. Zwei Deserteuren, die ihm sagen, er solle auf die ganze Armee scheißen, erwidert er: „Wenn ich auf die ganze Armee scheiß, dann kommt auf einen Soldaten nicht viel. Aber wenn dann die ganze Armee auf mich scheißt …“

Schwejks Widerstand ist die Subversion von innen her. Dass er damit nicht allein ist, zeigen die Porträts anderer in den Militärdienst gepresster Untertanen der Habsburgermonarchie. Sie alle wissen: Man muss mit den Wölfen heulen und sich gleichzeitig, so gut es geht, durchmogeln. Das ist der Krieg der Herrschaften, nicht der kleinen Leute. Als ein Russe beim ersten Angriff des Regiments auf Schwejk schießt, reißt dieser ihm empört das Gewehr aus der Hand. "Was soll das? Warum schießt du denn auf mich, du Depp? Du hättest mich treffen können!"

Alles nur Literatur? Vielleicht. Oder auch nicht. Mein Großvater diente im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront. Er erzählte fast nie davon, doch einmal fragte ich ihn, wie er den Krieg überlebt habe. Er sagte sehr ernst: "Ich habe nie auf einen Menschen geschossen. Ich habe immer über die Köpfe hinweg oder daneben gezielt. Das haben die Russen gemerkt. Und haben auch vorbeigeschossen." Vielleicht hat mir mein Großvater einen Bären aufgebunden. Aber wenn, war es der einzige. Denn er hasste die Lüge.

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