Sonntag, 25. August 2024

Fünfundzwanzig Jahre später

Kann man sich verlieren, noch bevor man sich gefunden hat? Die Wahrheit ist: Es gab nichts zu finden. Alles, was ich wissen musste, wusste ich bereits. Ich durchkreuzte gedankenverloren den Ozean meiner selbst und hielt mich von anderen Schiffen fern. Ich mied die Erwartungen und Wünsche anderer, die meinten, sich auf dem einzig richtigen Weg zu befinden, aus Mangel an Phantasie, Geltungsdrang oder Freude am Kampf. Ich kommunizierte mit Toten, nicht nur, weil sie nichts von mir erwarteten und mir nicht widersprechen konnten, sondern weil es mir Spaß machte, ihren Gedanken zu folgen, ohne je den Drang zu verspüren, sie an der Illusion eigener Gedanken zu messen. Natürlich, ein wenig spielte ich das Spiel der anderen mit, wer müsste das nicht, doch immer nur so viel, dass ich nie in die Verlegenheit kam, mich wirklich auf etwas festlegen zu müssen, wie ein Schiff, das ein anderes passiert und im Vorüberfahren Höflichkeitsformeln per Signalflagge austauscht. Ich war ein Gaukler, der sich mal in dieser, mal in jener Rolle gefiel, träge in meiner Anpassung, verhalten neugierig auf die Reaktionen derer, die tatsächlich daran glaubten, dass es möglich wäre, jemand zu sein. Doch irgendwann erlag ich der Versuchung, in einen Hafen einzulaufen. Glaubte, dass ich dort Sicherheit und Geborgenheit fände. Erst im Labyrinth der ankernden Seelenverkäufer habe ich mich dann verloren. Das passiert vielen, warum also nicht auch mir? Was geschehen ist, ist geschehen. Es gibt nichts zu bedauern, nichts zu bereuen, nichts aufzuarbeiten. Vielleicht habe ich sogar etwas daraus gelernt. Doch am Ende bleibt eine andere Frage: Wie finde ich aufs offene Meer zurück?

Freitag, 23. August 2024

Bericht zur Lage (II)

Verschlafen. Verdammt, das ist mir seit Jahren nicht passiert. Handywecker nicht gehört oder Aktivierung vergessen? Egal, die Presseschau ist trotzdem Pflichtprogramm. Aber dann gleich aufs Schlimme: AfD-Mann Höcke möchte bei einem Wahlsieg die thüringische Zweigstelle des "Weltsozialamts Deutschland" schließen. Geht das überhaupt? Oder wird der Hesse die Sezession seiner thüringischen Wahlheimat vorantreiben? Zurück zur deutschen Kleinstaaterei? Warum eigentlich nicht? Bekanntlich waren Voltaires Bemerkungen zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation – es sei weder heilig, noch römisch, noch ein Reich – seinerzeit durchaus positiv gemeint. 

Jedenfalls wird am 1. September in Thüringen gewählt. Ausgerechnet am Weltfriedenstag. Will die AfD einen neuen Krieg? Ist die Namensgleichheit Höckes mit Adolf H. wirklich nur Zufall? Plant die AfD die Ausrottung ganzer Bevölkerungsgruppen? Und welche pragmatische AfD-Verhinderungskoalition wird am Ende herauskommen? Deutschland? Jamaika? Kenia? Wissen die Jamaikaner*innen und Kenianer*innen, dass ihre Landesfarben hierzulande politisch vereinnahmt werden? Wenn ja, interessiert es sie? Oder haben sie möglicherweise ganz andere Probleme?

Könnte jedenfalls interessant werden. Vielleicht aber auch nicht. Am Ende wohl allenfalls eine Fußnote in der Geschichte. 

Abgesehen davon wäre Ephraim Kishon heuer 100 geworden. Ich kann nicht behaupten, je etwas von ihm gelesen zu haben, aber sein Satz "Manchmal ärgere ich mich darüber, dass es mir nicht gelingt, mich davon zu überzeugen, dass ich keinen Grund habe, schlecht gelaunt zu sein." gefällt mir irgendwie.

Zurück zu meiner Nichtswürdigkeit. In dieser Woche verbrachte ich zwei Vormittage damit, mich durch möglicherweise passende Stellenanzeigen zu klicken. Was mich dabei irritierte: die Intros.  Sie lasen sich oft so, als wäre der Autor auf Koks gewesen. Grundtenor: "Willst du mit uns die Welt zu einem besseren Ort machen?" Seriously? 

Ganz ehrlich: not really. Dazu absurd lange Qualifikationslisten, die meist darauf hinauslaufen, dass der erfolgreiche Kandidat praktisch sein gesamtes bisheriges Leben damit verbracht haben sollte, sich auf diese eine Stelle bei dieser einen Firma vorzubereiten. Als erfahrener Professional kommt man sich dabei gelinde gesagt ein wenig verarscht vor. Suchen die erwachsene Menschen oder sind wir hier im Kindergarten? Wahrscheinlich letzteres, denn die meisten Anzeigen vermitteln durch die Blume, dass sie an älteren Arbeitnehmer*innen (also ab 30) nicht wirklich interessiert sind. Bei aller Diversity ist "Ageism" offenbar sehr wohl noch ein Thema, wie der LinkedIn-Post eines gestandenen Medienprofis suggerierte.

Dass ich nicht der einzige, nun ja, mehr oder weniger, normale Mensch bin, wurde mir klar, als ich auf LinkedIn die Einleitung eines Buches las, das die exzessive Fokussierung auf einen herbeigeredeten hehren "Purpose" ebenfalls kritisch zu sehen scheint. Der Autor heißt Attila Albert und der erste Teil seines Buchtitels gefiel mir gut: "Ich brauch keinen Purpose, sondern Geld".  

Der zweite Teil stimmte mich schon skeptischer: "So finden Sie den Job, der wirklich zu Ihnen passt". Herr Jemineh, ein weiteres Self-help-Buch, das seine potentiellen Leser*innen (und außen) mit der klaren und prägnanten Beschreibung eines real vorhandenen, im offiziellen Diskurs wenig präsenten Zustands oder Gefühls (Demotivation, Armut, geringes Selbstwertgefühl etc. pp.) lockt und ihnen im zweiten Schritt den Weg weist, trotz aller Widrigkeiten doch zum "Erfolg" zu gelangen. Oder hat Attila der Coachingkönig tatsächlich einige todsichere Tipps im Ärmel? Lohnt es sich, 18 Euro für sein Buch auszugeben? Ich denke weiter darüber nach.

Das bringt mich zurück auf eine Idee, die mir Anfang des Jahres kam. Der Anlass: ein Pflichttermin des Arbeitsamtes, zu dem ich am Ende eines einjährigen AA-Sabbaticals geladen wurde. Der fand zur Einschüchterung der Kandidat*innen nicht in in der Agentur, sondern im sogenannten "Jobcenter" statt. Message: Hier landet ihr, wenn ihr bis zum Ende eures ALG-I-Zeitraumes keinen Job gefunden habt, zusammen mit all den anderen arbeitsscheuen oder unvermittelbaren Losern, über die FDP, CDU und AfD derzeit so gern herziehen.

Die Gruppenveranstaltung mit etwa 80 (!) Teilnehmern war dann jedoch erfreulich nüchtern und unemotional. Eine Fachkraft für Arbeitsvermittlung gab nochmal Tipps zur Jobsuche, ein Experte für Zeitarbeit hielt einen Impulsvortrag über die Großartigkeit derselben, und ein im Amt ergrauter, fülliger Herr informierte uns zum Burgergeld (das ich persönlich für eine gute Idee halte: Jeder sollte sich einen Burger leisten können). 

Während der Vorträge schaute ich mich neugierig um: Niemand der hier Versammelten machte einen schwer vermittelbaren Eindruck. Ãœberwiegend Menschen in meinem Alter, einige jünger, andere ein bisschen älter, aber überwiegend sympathisch und irgendwie out of the box. Zweifelnd. Reflektiert. Nicht ins Schema eines erfolgreichen Arbeitnehmers passend. Es gab wenige, die ich mir nicht als Kollegen vorstellen konnte. Dann die Idee: Vielleicht sollte man mit diesen Menschen etwas machen, sich vernetzen, etwas gründen, vorantreiben, bewegen. Keine Partei, sondern eine Art "Common-Sense-Initiative"? Einen wirklichen "Change-Prozess" anstoßen? 

Schöne Idee (vielleicht), aber am Ende der Veranstaltung ging natürlich jeder seiner Wege, zurück in die eigene, ganz private Misere. Vergesellschaftung also eher unrealistisch. Waren wohl ohnehin auch alles Individualisten. Trotzdem irgendwie ein gutes Gefühl: You are not alone.

Wo war ich stehengeblieben? Ach so, nirgendwo. Auch mal ganz schön. Da stehe ich sowieso meistens. Aber die Sache mit dem Purpose beschäftigt mich schon. Diese Obsession mit der vermeintlich "guten" Sache, die man vertrete, mit moralisch unangreifbaren Maximalpositionen, Meinungen, Haltungen. Die aggressive Abwehr abweichender Ansichten und die Diffamierung Andersdenkender. Der Glaube, dass man die absolute Wahrheit für sich gepachtet habe. Vielleicht ist "Glaube" das Schlüsselwort. Der Glaube erlebt – das ist zumindest mein Eindruck – gerade eine beunruhigende Renaissance. Und mit dem Glauben die Intoleranz. Das Tunneldenken. Ich kann mich täuschen, aber das riecht verdächtig nach Fundamentalismus.

Dem bleibt eigentlich wenig hinzuzufügen. Außer dass mir die Lektüre eines Artikels der sizilianischen Autorin Viola Di Grado zum Heimathass ihrer Landsleute das schöne, vielleicht auch auf den deutschen Osten anwendbare Wort "Herkunftsscham" ins Gedächtnis zurückrief. Und mir die Deutsche Post oder vielmehr DHL (Was heißt das eigentlich?) vor einigen Tagen das vielleicht noch schönere (Un-)Wort "Briefzustellkraft" bescherte. Wenn das der gute alte Briefträger wüsste ...



Freitag, 16. August 2024

Bericht zur Lage


Kurzer Bericht zur Lage:

Berlin ächzt unter einer tropischen Hitzewelle. Das erinnert mich an meine Zeit in Afrika, obwohl dort Temperaturen und Luftfeuchtigkeit wohl noch extremer gewesen sein dürften, ganz zu schweigen von der Äquatorsonne, die sich bei jedem Spaziergang (in Afrika eine ganz und gar absurde Art des Zeitvertreibs) nach Kräften bemühte, mir das noch verbliebene Resthirn aus dem Kopf zu brennen.

Aber Afrika hin, Hitze her, die hiesigen Mücken scheinen sich auch das ein oder andere vorgenommen zu haben. Einige kürzlich erschienene Stichschwellungen deuten auf invasive Arten hin, die sicherlich gekommen sind, um zu bleiben.

Ãœberdies fühlen sich die spanischen Wegschnecken nach wie vor äußerst wohl, tun sich an den mühsam gezogenen Auberginen in meiner Sommerresidenz gütlich, fressen sich buchstäblich durch die frühreife Frucht, dass man sich fragt, wohin sie das alles verdauen. 

Hinzu kommt das Gefühl, das die Menschen entweder im Urlaub oder kurz davor oder kurz danach sind, also wenig Neigung verspüren, zum beliebten Dienst nach Vorschrift überzugehen. Das entschleunigt den Geschäftsalltag, bringt Zeit für Vertreibe wie diesen hier und sogt für ein ungewohntes Gefühl der Verbundenheit mit anderen Leuten, getreu der Devise, geteilte Freud ist doppelte Freud. 

Geradezu diebisch freut es mich, dass bei Videokonferenzen meine Gesprächspartner:innen (und :außen) nicht sehen können, dass meine Füße in einer Schüssel wunderbar kalten Berliner Leitungswassers baden (Wie weiland Palmolive in den Achtzigern: "Sie baden gerade Ihre Füße drin.")

Abgesehen davon berichtet die Presse, dass hinter dem notorisch unterberichteten Anschlag auf die Nord Stream-Pipelines vielleicht doch die Ukrainer stecken könnten. Möglicherweise wurde der kühne Plan bei einem wodkaseligen Beisammensein verantwortlicher Militärs und Politgrößen ausgeheckt, die sich darüber freuten, dass sie dank westlicher Geheimdienstinformationen den russischen Angriff zunächst zurückgeschlagen hatten. 

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe die Ukrainer, aber ich habe trotzdem Angst davor, dass sie in ihrem (durchaus nicht unverständlichen) nationalistischen Ãœbereifer und Russenhass keinerlei Skrupel haben, wenn nötig die ganze Welt in Brand zu setzen. Deshalb auch die merkwürdige Sommeroffensive im Raum Kursk, die einmal mehr Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg hervorruft. Geht es nur mir so, oder ist es ein bisschen gruselig, die Namen Charkow, Don und Kursk nach über achtzig Jahren wieder in Frontberichten zu lesen, selbst wenn sie bisweilen eingeukrainischt sind? 


Da fällt mir ein, dass ich vor einigen Wochen den Kaltkriegsthriller "Des Teufels Alternative" des britischen Autoren Frederick Forsythe aus dem Jahr 1979 las. Darin kapern ukrainische Nationalisten einen Ölsupersupertanker und drohen damit, ihn in die Luft zu sprengen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Genauer gesagt, geht es ihnen darum, eine Einigung zwischen der UdSSR und den USA bezüglich diverser Getreidelieferungen und Abrüstungsmaßnahmen zu hintertreiben. Die Gefahr eines von Kreml-Hardlinern befürworteten Dritten Weltkriegs im Fall eines Verhandlungsmisserfolgs scheint den Herren Ukrainern dabei egal zu sein. Ein beinahe, aber hoffentlich nicht allzu prophetischer Roman aus einer Zeit, in der, ich muss es gestehen, im Unrechtsstaat sozialisierte Deutsche wie ich nicht einmal wussten, dass es so etwas wie eine Ukraine und Ukrainer überhaupt gibt.


Abgesehen davon läuft der Countdown für die Wahl in drei deutschen Bundesländern. Die Wahlplakate überbieten sich an Absurdität, ein Heiliger, wer da nicht zum Zyniker wird. Der sächsische Landesfürst Kretschmer schwenkt, ohne mit der Wimper zu zucken, auf die Linie der Konkurrenz von rechts ein, will offenbar im Alleingang die Atomkraft wieder einführen, von der Kohleverstromung ganz zu schweigen, der, seinen Verlautbarungen nach zu urteilen, eine unerwartete Renaissance bevorsteht. Isch werd vorrüggt, kann man da nur sagen, ohne so recht zu wissen, ob ein derart skrupelloses und prinzipienloses Machtklammern noch unter Ulk oder schon unter Evilness zu verbuchen ist.

Das alles mag sich für manche besorgniserregend lesen, mir bleibt nur zu versichern, dass in ein bis zwei Jahren all diese "breaking news" schon wieder Schnee aus grauer Vorzeit sein und niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken werden. Amen.



Freitag, 9. August 2024

The Phantom 'Rickshaw


Rudyard Kipling is currently not a very popular author because he is associated with the British Empire, an entity that has a hopelessly bad reputation although it catapulted major parts of this world into the modern era – for good or for bad, that depends on the outlook of the observer. 

Anyway, I'm a sucker fort lost cases (Kipling) or causes (Empire), so yesterday I (re-)read Kipling's 1885 story The Phantom 'Rickshaw (don't ask what the ' is for, I don't have a clue). 

It is the story of a man who has an affair with a married woman and breaks the affair of at some time, upon which she basically dies of grief. The 'hero', Pansay, on his pre-honeymoon in the Indian colonial's holiday retreat Simla, gets literally haunted by the lady in question, more specifically by the repeated appearance or apparition of the rickshaw she used to drive in, which, in turn, promotes his mental and physical decline and eventually his untimely demise. 

It is a story about guilt and its tendency to gnaw at you, erode your confidence and, in the worst case, kill you eventually. This becomes most pronounced and irreversible when the person you did wrong dies before you could make amends. It doesn't necessarily have to mean that you actively or passively killed the person in question, the mere sin of neglect is enough to torment you for the rest of your days. At least that's what I took out of it. 

You don't think that applies to you? Well, remember the old story of Mary Magdalene: "He that is without sin among you, let him first cast a stone."

Kälte


Eine Freundin hat mir kürzlich Szczepan Twardochs "Kälte" zu lesen gegeben. Wie der Titel schon sagt, keine sonderlich erwärmende Lektüre. Zuerst Folterszenen im NKWD-Keller, dann wird im Gulag ein Entomologe von Kriminellen vergewaltigt und dabei (versehentlich) erwürgt.

Brauche ich in meinem Alter noch Beweise für das was Menschen anderen Menschen antun können? Eigentlich nicht. Aber Leseauftrag ist Leseauftrag. Nützt ja nix.

PS: Ansonsten ein – bisher – gutes Buch.

'Social' Media Then and Now


Just back from a short break in a forgotten but beautiful corner of Germany (No, I won’t tell you where it is, I’ve read too many articles on overtourism recently). 

With time off comes the boredom, so I listened to an early episode of my favourite podcast The Rest is History. This one was about social media. Is it really such a new and unique phenomenon?

Of course, it's not really. Podcaster-historian Tom Holland compared it with the invention of the printing press and presented Martin Luther as the first mega influencer of the modern era. 

Other parallels: 

- the tendency to attack people with different opinions quite viciously

- the tendency to use the new, fast and powerful medium as a self-promotion tool

- the creation of a new (literate) public which remained a minority but advocated, promoted and - more or less - managed (historical) change

What I found most interesting was the notion of the activist minority and the passivist (my words) majority who were not agents but silent endurers of change, the mould to be formed by the minority.

What happens, I wondered, if the (seemingly uneducated) majority's tendency to reject change and leave things as they are is politically exploited? What if a new, competing minority emerges who voices the majority's resentment about the arrogance of the elite and completely rejects their narratives? What happens if they have a medium at their disposal that is incredibly faster, more direct and less easy to control than leaflets, pamphlets, newspapers and books?

Well, you can guess the answer(s) and probably also have an idea in which corner of Germany I was.

Zu schön, um wahr zu sein


Gestern Nachmittag. Ich sitze an einem See. Genau genommen ist es ein Loch. Nicht besonders groß. Aber sehr tief. Angeblich um die sechzig Meter. Ein ehemaliger Basaltsteinbruch, in den 1940er Jahren aufgegeben. 

Direkt am Ufer geht es steil hinab in die Tiefe. Die Farbe des Wassers: mal tiefgrün, mal bernsteinfarben, mal aquamarin. Es ist klar und kühl. Eine Lust darin zu schwimmen. An der kleinen Badestelle tummeln sich Fische. Blätter der das Loch säumenden Laubbäume treiben auf dem Wasser. Sie bewegen sich nicht, denn es gibt keine erkennbare Strömung. 

An einer Seite des Lochs, hoch über der Wasserfläche liegen Datschen. Manchmal höre ich Stimmen aus den Gärten. Sonst ist es still. Nur ein Buntspecht pickt ein wenig in den Baumrinden herum. Eine verborgene Ecke der Welt, paradiesisch, geheimnisvoll, unwirklich.

Dann taucht ein alter Mann auf. Nur mit einem Badetuch und Plastikschuhen bekleidet. Sicher einer der Datschenbesitzer. Er grüßt freundlich, ich grüße ebenso freundlich zurück. Der Mann hängt das Badetuch an einen Ast, lässt die Schuhe stehen und geht ins Wasser. Ich mustere das Badetuch und die Schuhe. Und denke an einen Krimi. Ein Mann oder eine Frau oder ein Kind findet Tuch und Schuhe. Wo ist der Besitzer? Ist er ertrunken? Wird jemand vermisst? War es ein Unfall? Oder Mord? Was verleitet den Ermittler zu der Annahme?

Der Mann kommt aus dem Wasser, wir wechseln einige Worte, dann geht er wieder. Ich bleibe allein im Paradies zurück. In meinem Kopf rattert das Fragment eines Krimi-Plots. Warum kann ich das Paradies nicht genießen? Weil es zu schön ist, um wahr zu sein.

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