Samstag, 27. Juli 2024

Berlin schlägt Kinshasa


Aufgrund der wechselhaften Wetterlage ist Madame Migraine derzeit ein häufiger, wenn auch ungern gesehener Gast in meinem Hause. Heute ist es wieder bewölkt und regnerisch, das Barometer zeigt 1013 Millibar, eine Maßeinheit, die ich gern als "Minibar" verballhorne. Letztere bleibt allerdings heute geschlossen. Zudem ist es schwül. Die Luftfeuchtigkeit in Berlin beträgt laut Wetter-App 73 %. In Kinshasa sind es nur 49 %. Damit schlägt die BRD die "Demokratische" Republik Kongo um Längen. In Bangkok sind es allerdings satte 89 %. Davon können Mitteleuropäer auch in Zeiten des Klimawandels vorerst nur albträumen. Wohlgemerkt mit "b", denn es sind nicht die Alpen, sondern die Alben, böse Geister der alten Germanen gemeint. Aber das ist eine andere Geschichte.

Freitag, 19. Juli 2024

Sonntagnachmittag



Am Sonntagnachmittag klopft bisweilen mein wahres Ich an die Tür. Es fühlt sich vernachlässigt, weil ich den Rest der Woche mit all meinen anderen Ichs verbracht habe, um irgendwie über die Runden zu kommen, all die Bälle in der Luft zu halten, die mir in Form der Ansprüche, Erwartungen und Wünsche anderer, aber auch aufgrund meines eigenen Geltungsdrangs zugespielt werden. Das alles hat mit meinem wahren Ich wenig bis nichts zu tun. Wie sagte von Horvath einst: "Ich bin eigentlich ganz anders. Ich komme nur so selten dazu." Wie dem auch sei, wenn das wahre Ich auf seinem Recht besteht, gehe ich meistens mit ihm spazieren. Dann schweigen wir uns vielsagend an und blicken verwundert und verloren in eine Welt, in der Leerlaufpsychopathen durch eine groteske Theaterkulisse geistern und insgeheim den Wochenanfang herbeisehnen. Am Ende der Promenade resümieren wir dann meist mit Shakespeare: "Life is a tale, told by an idiot."

Der Migräne-Club

Kürzlich konstatierte ich, dass Napoleon und meine Wenigkeit wenigstens etwas gemeinsam haben: die Migräne. Heute lernte ich, dass auch Nietzsche Migräne-Opfer war. Er fuhr deswegen sogar zur Kur in die Schweiz. Weitere prominente Patienten: Freud, Wagner, Mahler und die US-Autorin Joan Didion, die dazu sogar einen interessanten Text verfasste. Ein recht exklusiver Club also. Trotzdem würde ich gern auf die Mitgliedschaft verzichten.

Montag, 15. Juli 2024

EM-Bilanz


Die EM ist vorbei. Die BRD-Fußballmannschaft hat sich mit Spielfreude und Einsatz den Titel "Europameister der Herzen" erobert. Spieler, Trainer, Co-Trainer und die Sportreporter*innen nahmen dies zum Anlass, gebetsmühlenartig die Einheit der Nation zu beschwören, ein untrügliches Indiz dafür, dass es damit nicht besonders weit her ist.  Die Franzosen versäumten den Einzug ins Finale und damit die Chance auf den Titelgewinn an ihrem Nationalfeiertag. Die Engländer haben es einmal mehr nicht geschafft, was ebenfalls schade ist, denn auch die neue Labour-Regierung hätte sich sicherlich über ein wenig Euphorie gefreut, um in ihrem Windschatten vielleicht das ein oder andere sonst womöglich kritisch hinterfragte Startreförmchen durchzudrücken. Die Spanier nehmen ihren vierten EM-Titel mit nach Hause, langweiliger geht es nicht, aber gespielt haben sie trotzdem sehr gut. Was mir von der EM bleiben wird, ist ein Paar Turnschuhe in Neonfarben, ein von den quietschbunten Töppen einiger Turnierspieler inspirierter Impulskauf. Sie sind so auffällig, dass ich sie wohl nicht in Begleitung meiner Gattin tragen kann, die sie (obwohl sie zu höflich ist, das offen zu sagen) ziemlich peinlich findet. Damit können wir dann also wieder zur gewöhnlichen Tagesordnung übergehen.

Bild: Im Spiel gegen die Slowakei gelang England ein Tor in allerletzter Minute. Im Finale gegen Spanien nicht. 

Samstag, 13. Juli 2024

Unruhestand

Mein Wort des Tages ist der Unruhestand. Hatte ich bisher noch nicht gehört, komme sicher aus dem Mustopf, kann man nix machen. Was der Unruhestand bedeutet, wurde mir heute sehr deutlich vor Augen geführt, als ich einer Vereinsvollversammlung beiwohnte. Ein Rentner stritt sich erbittert und ausdauernd mit dem Vereinsvorstand um die Rückzahlung vermeintlich vom Verein irregulär einbehaltener Gelder. Es ging um 8 Euro. Er hatte sich erkennbar gut vorbereitet, Vereinsordnung, Finanzplan und sonstige Dokumente gründlich studiert, um dann bei der Versammlung seinen großen Auftritt haben zu können, der jedem, aber auch wirklich jedem anderen Mitglied unendlich auf die Nerven ging und den Ablauf deutlich verzögerte. Wie viel Unruhe stiften solche Unruheständler in Vereinen, in Wohneigentümerversammlungen und nicht zuletzt auf deutschen Gerichten, wie viel Lebenszeit ihrer Mitmenschen verschwenden sie, wie viel Ärger und Verdruss produzieren sie und geben erst dann Ruhe, wenn sie sich endlich zum Sterben bequemen. Warum können und wollen sie nicht begreifen, dass die Kampfzeit auch einmal vorbei sein kann, dass es nun darum geht, sich elegant und würdevoll selbst aus dem Verkehr zu ziehen und Jüngeren das Feld zu überlassen, warum können sie nicht einfach mal, salopp gesagt, die Fresse halten?

Freitag, 12. Juli 2024

Treibhausklima und Marlowe



Das gegenwärtige Treibhausklima erinnert mich an die Anfangsszene des Chandler-Klassikers "The Big Sleep"  (1939). Marlowe trifft seinen Auftraggeber, den greisen, kranken General Sternwood, in einem Gewächshaus und schwitzt sich die Seele aus dem Leib. Sternwood ist, salopp gesagt, am Abnippeln. Die Wärme zögert das Unvermeidliche noch etwas hinaus. Er genießt es, Marlowe beim Rauchen und Trinken zuzusehen, Laster, die ihm der Arzt längst verboten hat. Und er sieht in Marlowe den Sohn, den er niemals hatte. Stattdessen hat ihn das Schicksal mit zwei missratenen Töchtern gestraft. 

Mir gefällt die feuchte Wärme. Sie entspannt meine Muskeln und umschließt meinen Körper wie ein wohliges Bad. Es ist, als kehrte man in den Mutterschoß zurück. Ein Blick auf die Wettervorhersage bestätigt leider, dass es mit der Hitze bald vorbei ist. Geburtstrauma 2. 

(Bild: Ein ziemlich schwitziges Buchcover aus dem Jahr 1971. Weitere können hier bewundert werden.)

Donnerstag, 11. Juli 2024

Wenn es um Afrika geht, wird DeepL zu DeppL

Afrika ist im Kommen. Das liest man immer wieder. "Kontinent der Zukunft", weil sehr junge Bevölkerung. Für viele dementsprechend potentielles Arbeitskräfte- und Beitragszahlerreservoir für langsam aussterbende Industrienationen. Natürlich auch Schauplatz neokolonialer Ausbeutungsphantasien (alte und neue Rohstoffe locken, zum Beispiel der letzthin so gehypte grüne Wasserstoff). 

Trotzdem: Gemessen an der Bevölkerung ist der Anteil am Welthandel immer noch sehr gering. Vom Wohlstandsniveau ganz zu schweigen. Auch sonst fühlen sich besonders junge Afrikanerinnen und Afrikaner noch immer marginalisiert, beklagen die einseitige Katastrophen- und Kriegsberichterstattung in westlichen Medien, fordern die Rückgabe der im 19. Jahrhundert geraubten Kulturschätze, engagieren sich für die Reform der, wie sie meinen, neokolonialen Handels- und Wirtschaftsstrukturen, kritisieren Demokratiedefizite, Korruption und Unfähigkeit ihrer oft kleptokratischen und meist auch autoritären Eliten.

Kürzlich hatte ich Gelegenheit, mit einer kenianischen Journalistin und Aktivistin zu sprechen. Diese sprach von meiner Kultur als "hegemonial", sah Afrika und seine Bewohner noch immer an den Rand gedrängt, warf dem Westen Ignoranz und Desinteresse an Afrika vor. Alles nur eingebildet?

Heute wollte ich eine Grußformel aus dem Deutschen oder Englischen in das Kiswahili übersetzen und befragte dazu die Ãœbersetzungsmaschine DeepL. Ergebnis: Kiswahili hat es nicht in die Sprachauswahl geschafft. Obwohl es in ganz Ostafrika (Kenia, Uganda, Tansania, dem Norden Moçambiques, dem Osten der "Demokratischen" Republik Kongo und auch in Rwanda und Burundi) verstanden und gesprochen wird. Das sind etwa 200 Millionen Menschen. Auch andere afrikanische Sprachen fehlen, wenn man einmal von Arabisch absieht. 

Dafür bietet DeepL Ungarisch, Tschechisch, Finnisch, Slowakisch, Slowenisch und natürlich (wahrscheinlich seit Neuestem) auch Ukrainisch an. Tja, wenn es um Afrika geht, wird DeepL offenbar zum DeppL. Marginalisierung? Klar. 

Dienstag, 9. Juli 2024

Spanische Wegschnecken


Die Klein-, Mittel- und Großgärtner unter uns haben es sicher schon mitbekommen: Es ist ein Schneckenjahr. Die spanische Wegschnecke, in den Achtzigern per Warenverkehr aus Iberien importiert, frisst sich durch Deutschlands Gärten, labt sich an den Früchten und vor allem Blättern mühsam gezogener Nutz- und Zierpflanzen, hinterlässt unschöne Löcher oder frisst sie gleich ganz kahl. Bekannte Hausmittel (Bierfallen, Kaffeepulverstreuung) oder Chemiekeulen (Schneckenkorn, ohnehin seit langem ausverkauft) können den gefräßigen Schleimern nichts anhaben. Wer sich eben noch fragte, was sich der oder die Schöpfer*in seinerzeit beim Entwurf des Modells Stechmücke gedacht haben mag, verzweifelt nun vollends und kommt zu dem Schluss, dass es sich eigentlich nur um eine/n Sadist*innen (oder außen) handeln kann.

Wie dem auch sei, das einzige Mittel gegen die Schnecken ist die Anwendung der aus dem Vietnamkrieg bekannten S&E-Taktik (Search & Destroy). Seit Wochen durchkämme ich, bewaffnet mit einer Schere, vor allem abends und sogar nachts den Garten, stöbere Schnecken auf und befördere sie mittels Zentralschnitt (einmal in der Mitte durch) ins Jenseits. Body Count der letzten Nacht: etwa dreißig. Es gab aber auch schon Tage, an denen ich es auf einhundert brachte. Schön ist das nicht, aber wenn es darum geht, Kohlrabi, Dahlien, Auberginen und andere Gewächse vor der Verstümmelung oder dem sicheren Tod zu bewahren, darf man nicht zimperlich sein. War is hell, wie es so schön heißt.

Anfangs zierte ich mich noch vor der Scherenschnittmethode. Im ersten Feldzug sammelte ich die Schnecken per Hand in eine Schüssel, goss Wasser darauf und hoffte, dass sie ertrinken würden. Doch die Schnecken ließen sich nicht beeindrucken, krabbelten in aller Seelenruhe wieder aus der Schüssel heraus. Daraufhin entfachte ich ein Feuer und verbrannte die Gefangenen auf dem Scheiterhaufen. Mir wird heute noch ganz schlecht, wenn ich daran denke. Da erscheint mir ein sauberer Schnitt nicht nur wirksamer, sondern auch humaner. Und ich muss die widerlichen Biester nicht mehr anfassen, was auch mit Gartenhandschuhen alles andere als angenehm ist. Obwohl sich der Schnitt ebenfalls recht unappetitlich darstellt, denn sobald die Außenhaut der Schnecke durchtrennt wird, ergießt sich ein Strom zähflüssigen, glänzenden, halb durchsichtigen, halb schwarzgrauen Schleims auf den Gartenboden. Daran werde ich mich nie gewöhnen.

Montag, 8. Juli 2024

Sommerresidenz 01


Weile noch immer in meiner Sommerresidenz im Brandenburgischen. Verstecke mich vor dem, tja, ähm, Leben. Aber es lässt mich nicht in Ruhe. Zwischen Rasen mähen und Unkraut jäten muss ich E-Mails beantworten und entwerfen, Telefonate entgegennehmen, Präsentationen korrigieren usw. Ich finde kaum Zeit für Wesentliches, zum Beispiel meine Paranoia. Wobei ich mich auf die seit jeher felsenfest verlassen kann: Sie kommt immer wieder. 

Zum Mittag meldet sich mein alter Freund Phillip Bottomley Phelps per Video-Call. Ohne direkten oder indirekten Anlass, einfach nur so. Zur Begrüßung wirft er mir ein "You've changed quite a bit" an den Kopf. Kommt da noch was? Nein. Er lässt es einfach so im Raum stehen. Auch gut. 

Er ist wohlauf, hat letzte Woche bei der Regatta in Henley im Achter den dritten Platz belegt. Trinkt trotzdem jeden Abend seine drei G+T, einen leichten Weißwein zum Aperitif und zum Essen einen schönen, vollmundigen Claret. Whisky nach dem Essen ein Kann, kein Muss. Ein Vorbild, wenn man so will. Arbeitet derzeit an seinem nächsten Stück "Emergency Exit 4". Fordert mich zur Kollaboration auf. Vielleicht ein anderes Mal.

Nach dem Shopping im Supermarkt meines Misstrauens überquere ich mit vollem Einkaufswagen vor einem wartenden Auto den Zebrastreifen."Geht's noch etwas langsamer?" ruft mir die Fahrerin erbost nach. Ich drehe mich um, lächle gewinnend und sage freundlich: "Gern. Aber leider bin ich im Moment in Zeitnot. Vielleicht beim nächsten Mal." Die Menschen wollen einfach nur wahrgenommen werden. Ich tue ihnen den Gefallen.

Die Tochter, zur Englisch-Kursfahrt in Warschau (???), fragt mich, ob ich Zugriff auf ihr Prepaid-Kreditkartenkonto habe. Nein, habe ich nicht, nur sie. Leider hat sie das Passwort vergessen und weiß nun nicht, ob die vorab überwiesenen Reisespesen eingetroffen sind. Not my problem, thank you very much.

Die Gattin ist ebenfalls am Anschlag. Schlägt sich mit der britischen Einwanderungsbehörde herum, weil unsere Tochter demnächst eine Privatschule auf der Insel besuchen soll. Auch hier kann ich nicht helfen. Nur dass ich nach dem Telefonat direkt eine Aura bekomme, Anbahnung einer Migräne (möglicherweise). 

Abgesehen davon ist alles im grünen Bereich. Die Vöglein singen, genauer das Rotkehlchen (Erithacus rubecula), die Amsel (Turdus merula), der Grünfink (Chloris chloris), die Elster (Pica pica), die Kohlmeise (Parus major), die Blaumeise (Cyanistes caerulus) und der Grünspecht (Picus virides). Die Vögel, deren lateinischer Name aus zwei gleichen Begriffen besteht, tun mir ein wenig leid. Dem Namensgeber mangelte es offensichtlich seinerzeit an Phantasie. Sind sie die Proletarier der Vogelwelt?

Anyway, das Abendlicht vergoldet die Stunde, der Rasen ist gemäht, und ich habe sogar ein wenig an den ersten beiden Kapiteln meines Magnus Opum gearbeitet. Was will man mehr?

Die neue PC-Brille scheint sich zu bewähren, obwohl ich an einem Mac arbeite. Das etwas merkwürdige Desorientierungsgefühl am Anfang gibt sich allmählich. Kleine Erfolgserlebnisse beflügeln für die kommenden Tage.

Ansonsten keinerlei menschliche Gesellschaft, abgesehen von beiläufig getauschten Hallos und Smalltalks mit den Nachbarn und einer freundlichen Aufforderung, mein Auto umzuparken, da man auf dem Stellplatz den Rasen mähen müsse. Dem komme ich gern nach. 

Der Tag neigt sich dem Ende zu. Was wird bleiben, was ist von Belang oder gar Bestand? Nichts. Und das ist auch gut so.



Sonntag, 7. Juli 2024

Abendstimmung


Abend. Kein Lüftchen weht. Vögel zwitschern verhalten. Das Licht so klar, die Luft so rein wie sonst nur im Spätsommer. Eine Ahnung von Magie. Frieden. Dann ein lautes Knacken, das Geräusch von Holzkohle, die mit Grillanzünder angeheizt wird. Und Stimmen. Brandenburgisches Geprolle. Bescheidwisserisch. Scheinheilig leutselig. Die Welt wäre so schön, wenn es keine Nachbarn gäbe. Wahrscheinlich bin ich ein schlechter Mensch.

Irgendwann ...



Irgendwann höre ich auf zu trinken, versprochen. Nur nicht heute. Sonntag, Nachmittagsbier, herrlich. Und abends, wenn die Sonne sich aufs Sinken vorbereitet, wer hätte da keine Lust auf einen kleinen Sundowner? Gin ist da, eine Tonic steht auch noch im Kühlschrank. Hat treu und brav auf mich gewartet. Ich kann und will sie nicht enttäuschen. Prosit!

Antizyklisch


Beliebtes Hobby seit einiger Zeit: Vogelstimmenanalyse per App. Ausbeute heute Nachmittag, irgendwo im Berliner Umland: Blau- und Kohlmeise, Pirol, Ringeltaube, Amsel, Kernbeißer, Buchfink, Zaunkönig, Hausrotschwanz und eine Nachtigall. Letztere eher überraschend. Dachte immer die seien nachtaktiv. Eine rebellische Nachtigall? Verpeilt? Antizyklisch unterwegs? Sympathisch.

(Bild: Avalon Art via Pixabay)

Schwierige Kombination


Lektüre: Karl Ove Knausgård "Sterben". Kein besonders lebensbejahender Titel. Habe ich vor Jahren schon mal probiert und dann wieder aus der Hand gelegt. Zu viel Alltag. Erfolglosigkeit, Kinderaufzucht und so Zeugs. Hatte ich selbst genug davon. Aber warum nicht nochmal versuchen? So richtig springt der Funke auch diesmal nicht über. Er schreibt über die Wutausbrüche seiner Tochter und konstatiert, dass Empfindsamkeit und Willensstärke eine schwierige Kombination seien. Wie immer befrage ich mich gleich selbst, ob ich betroffen bin. Urteil: Empfindsamkeit vielleicht, Willensstärke seit jeher nicht vorhanden. Gerade noch einmal davon gekommen.

Interessantes Unkaut


Gegen Mittag Ankunft im Schrebergarten. Der erste Besuch seit Wochen. Welcome to the jungle. Beim Jäten kommt mir eine merkwürdige Pflanze ins Gehege. Laut Pflanzen-App handelt es sich um einen Stechapfel. Giftig. Interessant. Weitergehende Recherchen ergeben, dass die Samen im Mittelalter aufgrund ihrer halluzinogenen Wirkung in Hexensalben verarbeitet wurden. Außerdem steckte man Pferden die Blätter des Stechapfels in den Mastdarm, um ihnen mehr Temperament zu verleihen und sie teurer verkaufen zu können. Das Rauchen der Blätter sollte auch gegen Asthma helfen. Die Pflanzenteile und Samen können als Tee eingenommen werden. Bei den im Stechapfel enthaltenen psychoaktiven Substanzen handelt es sich um die Alkaloide Hyoscamin und Scopolamin. Wer das zu sich nimmt, verliert angeblich jedes Zeitempfinden und erfährt einen psychoseähnlichen Zustand mit starker Angst. Dabei kann es wohl zu Hallizunationen kommen, die sehr real erscheinen. Moment mal. Scopolamin? Richtig, Geheimdienste verwenden das, um Gefangenen Geheimnisse zu entlocken. Macht willenlos und darüber hinaus wohl auch gesprächig. Man plaudert aus, was man eigentlich für sich behalten will. Mir bekannt aus dem Rias-Hörspiel "Professor van Dusen in Marokko". Da wird der Journalist und Erzähler Hutchinson Hatch von einem kaiserlich deutschen Geheimpolizisten namens Dr. Maximilian Grunzbach mit Scopolamin "behandelt". Leider umsonst, denn die Antwort auf die gestellte Frage kennt er nicht. Kurze Überlegung meinerseits, ein wenig Scopolamin für den Hausgebrauch zu destillieren. Aber wer aus meinem Umfeld hat Geheimnisse, die mich so brennend interessieren, dass ich eine tödliche Überdosierung in Kauf nähme? Mir fällt keiner ein. Also auf den Kompost damit.

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